„Es war als wären die Reliefs aus ihren Steinen getreten“*

Forschungsprojekt zum Briefwechsel zwischen dem Diplomaten Friedrich Werner von der Schulenburg und dem Archäologen Ernst E. Herzfeld aus den Jahren 1923 bis 1939

Schulenburg, Herzfeld und Iran, Deutschland, Persepolis, Archäologie, Diplomatie, Politik, deutsch-iranische Beziehungen, Antikenhandel
Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg mit Begleitung vor dem Grab des Kyros, Südiran, wahrscheinlich 1939. Aus dem privaten Fotoalbum von Stephan von der Schulenburg.

Schlagworte:

Iran, Deutschland, Persepolis, Archäologie, Diplomatie, Politik, deutsch-iranische Beziehungen, Antikenhandel

KI-animiertes Video, das die Reliefs von Persepolis aus den Steinen treten lässt. Von: arkeolojihaber /X

In den Jahren 1923 bis 1939 pflegten der Diplomat Friedrich Werner von der Schulenburg und der Archäologe Ernst E. Herzfeld einen freundschaftlichen und inhaltlich bedeutsamen Briefwechsel. Sie besprachen in loser Folge und anlassbezogen verschiedene Themen. Diese reichen vom gesellschaftlichen und politischen Leben in Teheran über den Erwerb von Luristanbronzen und die sensationellen Funde aus Persepolis und anderen Fundstätten bis hin zu Kommentaren über die Zeitgeschichte und ihre Protagonisten. Der Briefwechsel, begonnen zur Zeit ihres Kennenlernens in Teheran und fortgesetzt während von der Schulenburgs Posten in Bukarest und Moskau, öffnet ein Fenster in eine Zeit politischer Umbrüche in Deutschland und Iran. Beide Korrespondenten sind direkt von den politischen Änderungen der 1930er Jahre betroffen: Herzfeld wurde seiner Professur in Berlin enthoben und emigrierte in die USA, von der Schulenburg wurde als späterer Widerstandskämpfer des Stauffenbergkreises im November 1944 hingerichtet.

Der Briefwechsel ist aus dem Nachlass von der Schulenburgs erhalten und umfasst neben der direkten Korrespondenz weitere Briefe von Herzfelds Mitarbeiter Friedrich Krefter und zusätzliche Dokumente wie Telegramme und Frachtbriefe. Das Projekt strebt eine kommentierte Edition dieses Briefwechsels und eine zeit- und forschungshistorische Einordnung an. Daran knüpfen sich weiterreichende Fragen zum soziokulturellen Kontext der Briefe und den sich abzeichnenden Netzwerken zwischen Forschern und politischen Amtsträgern, Sammlern, Händlern und Personen der Zeitgeschichte an. Die Briefe erlauben die Rekonstruktion von Reiserouten und Forschungserfolgen, wobei der Umgang mit und die Wertschätzung von Antiken historische Praktiken der Wissensgewinnung spiegelt. Dies wird insbesondere bei der Neufassung des iranischen Antikengesetzes deutlich, das in den Briefen kommentiert wird. Zugleich wird deutlich, wie stark eine vordergründig neutrale Aktivität wie die Forschung innerhalb tagesaktueller politischer Kontexte steht.

Arbeitsgruppe: Dr. Natascha Bagherpour Kashani (Archäologisches Museum Frankfurt, Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Innovationsberatung für Museum und Kulturerbe), Prof. Dr. Bianca Devos (Philipps-Universität Marburg), Prof. Dr. Barbara Helwing (Vorderasiatisches Museum der Staatlichen Museen zu Berlin), Dr. Alexander Nagel (State University of New York, Fashion Institute of Technology; Research Associate, National Museum of Natural History at the Smithsonian Institution in Washington, D.C.), Dr. Harald Schulze (Archäologische Staatssammlung München)

*Der Arbeitstitel des Projekts ist ein Zitat aus einem langen Brief von Herzfeld vom 27. Dezember 1923, in dem er ein mehrtägiges Fest auf der Terrasse von Persepolis schildert, in dessen Verlauf den lokalen Würdenträger umfangreiche Tributgaben dargebracht wurden: „Hunderte von Menschen u. Scharen von Pferden, Maultieren, viele Zelte, große Feste. Einmal kam ein ganzer Tributzug, sie brachten Steinböcke, Mufflons, Wildenten, Schnepfen, Früchte, Schläuche mit saurer Milch, es war als wären die Reliefs aus ihren Steinen getreten. Vier Wochen blieb ich in Persepolis, es war eine prachtvolle Zeit.“